Susanne MüllerReisen nach Baedeker. Eine Medienkulturgeschichte des Reiseführers. Eingeleitet durch eine Kulturgeschichte des Erfahrens und einer Geschichte der Reisehandbücher Karl Baedekers schreibt die Arbeit eine Theorie des Reisehandbuchs am Beispiel des Baedekers. Dabei wird das Reisehandbuch durch eine medien- und wahrnehmungsgeschichtliche Betrachtung mit seinem kulturellen und medialen Umfeld (insbesondere im 19. Jahrhundert) in Zusammenhang gesetzt. Ferner erfolgt ein Ausblick auf Reiseführer am Beginn des 20. Jahrhunderts und in der Zeit des Nationalsozialismus.
Reisehandbücher, so die der Arbeit zugrunde liegende These, orientieren sich als optische Illusionsmedien an etablierten Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten und aktualisieren sich ständig im Wechselspiel mit zeitgenössischen optischen Medien und populären Ansichten. Jeder Blick auf eine Landschaft oder eine Stadt ist untrennbar mit dem Medium verbunden, durch das er erfolgt. Die Arbeit belegt diese These, indem sie dem Baedeker zeitgenössische Darstellungsformen, wie Panoramen oder Weltausstellungen, und zeitgenössischen Verkehrsmittel, wie die Eisenbahn, gegenübergestellt und die gegenseitigen Einflussnahmen untersucht.
Die Arbeit sieht das Reisehandbuch ebenso als mediale Apparatur wie auch die Panoramarotunde oder die Eisenbahnreise. Als typisches Medium des 19. Jahrhunderts versetzt es die Reisenden in vorselektierte Bildwelten und macht sich selbst nahezu unsichtbar. Somit ist das Reisehandbuch Schnittstelle im technischen und medialen Sinne. Es schiebt sich unmerklich zwischen Betrachter und Landschaft und eröffnet einen Zugang. Es macht Objekte sichtbar, indem es andere Objekte verdeckt. Es ist die Eintrittskarte zu einem exklusiven Raum, der nur zusammen mit der Apparatur Reisehandbuch existiert. Gleichzeitig verändert diese Praxis auch die abgebildeten Räume, die sich an touristische Bedürfnisse und die im Reisehandbuch etablierten Sehstandards anpassen.
Die Arbeit untersucht weniger, was Menschen mit Reisehandbüchern machen, sondern viel mehr, was das Reisehandbuch mit den Menschen und betrachteten Objekten macht. Quer zu etablierten Disziplinen und vorliegenden Schriften wird ein medienwissenschaftlicher Erklärungsversuch erarbeitet, der aufzeigt, was das Reisehandbuch im 19. Jahrhundert und bis zum heutigen Tage so erfolgreich macht.
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