Applaus Potsdam

Torsten Krone

Prozesse des Verklumpens. Filmessay über das Wachsen und Schrumpfen am Beispiel von Ballungsräumen

Abstract

Bei dem Text handelt es sich um eine medienwissenschaftliche Perspektive auf die Prozesse des Verklumpens, die als Folge einer Wechselwirkung von Wachsen und Schrumpfen zu beobachten sind. Am plastischen Beispiel des Anwachsens von Ballungsräumen und des Schrumpfens von angrenzenden Regionen wird dem Phänomen der Verklumpung eingehend nachgegangen. Ausgehend von McLuhans medientheoretischem Ansatz des „Extensions of Man“ werden als Leitlinien der Untersuchung die medienkulturellen Betrachtungen von Flusser, die Überlegungen zur Beschleunigung von Virilio und die Reflexionen von Sloterdijk zur Problematik von Zentrum und Peripherie mit einbezogen.
Entgegen der Annahme des Verschwindens und der Bedeutungslosigkeit des Raumes in Folge elektronischer Medien und eines Zustandes der Entropie wird die Vorstellung eines pulsierenden Raumes verfolgt, in der die Peripherie die verklumpten Ballungszentren mit Energie versorgt.

Projektbeschreibung: Ästhetik der Kleinstadt

Die Fotos zeigen eine Stadt im Schrumpfen. Luckenwalde ist seit nunmehr drei Jahren der Gegenstand meines Interesses. Es gibt von meiner Seite, oberflächlich gesehen, keine besondere emotionale Beziehung zu der Stadt und ich kann auch nicht genau sagen, warum es ausgerechnet diese Stadt ist, die mich so lange beschäftigt. Es gibt viele Städte, die in Brandenburg von dem Phänomen des Schrumpfens betroffen sind. Verfall und Abriss, Verlassensein und morbider Charme mögen eine gewisse Anziehung auf mich ausgeübt haben. Und vielleicht die Tatsache, dass Luckenwalde immer wieder buchstäblich auf dem Weg lag. Nie dort zu halten und sich bei der Durchreise zu fragen, was die Menschen in dieser trostlosen Stadt noch zu halten vermag, war ein Beweggrund. Und die eigene Ästhetik dieses bäuerlich und zugleich industriell geprägten Ortes, der Luckenwalde zu einem besonderen Typus macht: Einer Kleinstadt.

Zunächst war mein Interesse auf das Banale und das Hässliche gerichtet, auf Verfall und morbide Architektur. Doch ich entdeckte hinter den Oberflächen aus bröckligem Putz und verwaschenen Farben eine Geschichte. Die Entwicklung eines Ortes, der von bäuerlicher Wirtschaft und Tradition bestimmt war, bis der Zug der Industrialisierung buchstäblich durch ihn hindurchfegte und Fabriken wie aus dem Nichts auftauchten. Der Motor der Entwicklung hieß Berlin und die Ressourcen erbrachte Mitteldeutschland. Luckenwalde lag auf halbem Weg.

Strukturwandel ist das von der Politik gebrauchte Schlagwort, um dem sichtbaren Schrumpfen eine positive Wendung zu geben. Die Struktur, die die Politik bisher meinte, wandelt sich jedoch nicht nur, sie verfällt: In dem Maße, wie potente Ballungspunkte schneller wachsen, auch an ganz entfernten Orten, schrumpfen an anderen Stellen weniger Potenzial versammelnde Punkte und hören auf, zu existieren. Übrig bleibt ein Netz aus Straßen, Bahnlinien, Röhren zum Transport von Wasser, Gas und Öl, Strom- und Telefonkabeln, das die größten der wachsenden Punkte miteinander verbindet und mit Lebens- und Produktionsnotwendigem versorgt.

Was bietet die schrumpfende Stadt neben ihrer Ästhetik des Verfalls? Es handelt sich um Oberflächen, die nicht glatt, glänzend und gerade sind. Fotografie simuliert Tiefe. Das Auge sieht keine Tiefe. Tiefe erfahren wir in der Bewegung durch den Raum.
Die Oberflächen, auf die ich in Luckenwalde gestoßen bin, sind größten Teils nicht glatt und glänzend. Sie erinnern an etwas, das alte Fotografien von Straßenansichten festgehalten haben. Die Oberflächen in Luckenwalde sind erodiert und geben den Blick auf neue Oberflächen und Schichten frei, die ihre eigene Geschichte erzählen. Der Fotograf wird zum ästhetischen Archäologen.

Neben der ästhetischen Perspektive eine Stadt ergibt sich auch eine soziologische, eine architektonische, eine landschaftsökologische, eine ökonomische, eine historische etc. Da die Stadt eine vom Menschen geformte Struktur ist, spielt er darin eine Hauptrolle. Mich interessiert neben den Oberflächen, die eine schrumpfende Kleinstadt wie Luckenwalde freigibt, die Rolle der Bewohner in ihr und die mit ihnen verknüpften Geschichten.

Die Kleinstadt ist zu einem Unding geworden. Lassen die wachsenden Metropolen, die alle Energie, Menschen und Materie anziehen, die Kleinstadt verschwinden? Was machen die Bewohner in dieser Situation?

An Hand dieser Fragestellung fotografiere ich seit ca. drei Jahren die Kleinstadt Luckenwalde, im Süden Berlins. Während dieses Projektes entwickelte sich der Gedanke, das Thema filmisch zu bearbeiten und dieses Medium zu nutzen, um sich mit den aufgeworfenen Fragen auseinanderzusetzen.

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letzte Änderungen: 30.10.2006 13:32